Wir versammeln uns erneut vor der Staatsoper, um gegen ihre Entscheidung zu protestieren, Anna Netrebko weiterhin eine Bühne zu bieten – eine Künstlerin, deren gut dokumentierte Verbindungen zu Putins politischem Umfeld seit Jahren öffentliche Debatten auslösen. 

🗓 08/12/2025
🕑 19:15–20:15
📍Staatsoper Unter den Linden

Während große Berliner Kultureinrichtungen immer wieder betonen, wie wichtig gesellschaftliche Verantwortung und demokratische Werte sind, verweigert die Staatsoper bis heute jeden Dialog. Keine Stellungnahme, kein Wille zuzuhören – gegenüber genau den Bürger*innen, deren Steuergelder diese Institution ermöglichen.

In einer Stadt, in der Kultur als öffentliches Gut verstanden wird und in der Transparenz von staatlich geförderten Häusern erwartet wird, ist dieses Schweigen kein bloßes Versäumnis. Es ist eine bewusste Entscheidung wegzuschauen.

Unsere Aktion wird eine von Liza Aikin gestaltete, rave-inspirierte Klangintervention beinhalten. Berlin ist eine Stadt, in der elektronische Musik seit Jahrzehnten politisch ist – und diese Tradition machen wir sichtbar. Nicht als Gegensatz zur klassischen Musik, die wir als Teil einer vielfältigen Kulturlandschaft schätzen, sondern als Erinnerung daran, dass Musik in Berlin immer auch ein Mittel politischer Teilhabe war. Rhythmus, Bewegung und gemeinsame Präsenz waren hier oft Werkzeuge, mit denen Menschen Öffentlichkeit zurückgewinnen, wenn Institutionen nicht reagieren.

Kultur gehört nicht den Gremien, die über Programme entscheiden, sondern den Menschen, die sie schaffen, beleben und kritisch begleiten. Wir lassen uns nicht zum Schweigen bringen und zeigen: Eine Öffentlichkeit hat viele Formen – und noch mehr Möglichkeiten, hörbar zu werden.

Kommt dazu, erhebt eure Stimmen im Protest!
Denn Kunst ist politisch, öffentliche Institutionen sind rechenschaftspflichtig – und wir werden präsent bleiben, bis unser Anliegen nicht länger ignoriert wird.

Warum der sogenannte „Friedensplan“ in Wahrheit eine Kapitulation der Ukraine ist

Statement von Vitsche

Die Zukunft der Ukraine darf nicht ohne die Ukraine verhandelt werden. Entscheidungen über die Sicherheit in Europa dürfen nicht ohne Europa entschieden werden. Der Wunsch der Menschen in der Ukraine nach einem gerechten und dauerhaften Frieden ist riesig, doch kann er nur durch verlässliche und wirksame Sicherheitsgarantien garantiert werden.

Ein Friedensplan darf nicht wie München 1938 aussehen. Wenn die internationale Gemeinschaft einem Aggressor nachgibt, wird nicht Frieden gefördert, sondern die Grundlage für die nächste Eskalation gelegt. Zugeständnisse an einen Tyrannen, der bewusst Grenzen verschiebt und Gewalt als politisches Werkzeug nutzt, schaffen keine Sicherheit, sondern ermutigen zu weiteren Angriffen. Wer heute einen ungerechten Frieden akzeptiert, riskiert morgen einen noch umfassenderen Krieg vor eigenem Fenster haben.

Ein nachhaltiger Frieden erfordert in erste Linie die eindeutige Benennung des Aggressors, der die Ukraine 2014 und vollumfänglich 2022 angegriffen hat.  Die Erfahrung der letzten Jahre zeigt, dass ein eingefrorener Konflikt lediglich eine Pause ist, in der russland seine Kräfte erneuert und später wieder angreift. Jeder Vorschlag für einen Friedensprozess muss sicherstellen, dass die ukrainische Souveränität gegen neue Aggressionen geschützt bleibt, damit dieser Krieg nicht nur unterbrochen, sondern nachhaltig beendet wird. Ein Frieden in Europa soll nicht nur für unsere Generation geschafft werden, sondern auch für künftigen Nachwuchs, außerdem nicht nur in der Ukraine, sondern auch in Europa und Deutschland unter allem. Heute entscheidet man auch über die europäische Zukunft und deswegen müssen wir alle an der Seite der Ukraine stehen. 

 

Keine Verhandlungen über die Ukraine ohne die Ukraine und über Europa ohne Europa: Die Vertreter*innen der Ukraine und Europa müssen vollwertig am Verhandlungstisch sitzen, wobei die Ukraine nicht als Objekt geopolitischer Interessen dient, sondern als souveräner Staat. Der ursprüngliche Entwurf entstand weitgehend ohne europäische und ukrainische Einbindung. Europa verlangt volle Transparenz – keine Geheimverhandlungen zwischen Großmächten über die Köpfe der Betroffenen hinweg.

Die Verhandlungen sollen starten, wenn die Waffenstillstand angesetzt wurde: In der letzten Woche haben wir in Charkiw, Dnipro, Ternopil und anderen Städten gesehen, dass russland keinen Frieden wünscht, sondern die totale Vernichtung der Ukraine. Immer wieder sehen wir, dass russland Verhandlungsprozesse als strategische Waffe nutzt, um die Unterstützerkoalition der Ukraine zu spalten.

Glaubwürdige Mechanismen für Sicherheitsgarantien: Der vorliegende Plan spricht zwar von Garantien, schränkt aber gleichzeitig die Verteidigungsfähigkeit der Ukraine ein und bietet keine glaubwürdigen Mechanismen für Sicherheitsgarantien, sodass russland  jederzeit erneut massiver angreifen könnte. Eine wirksame Abschreckung muss klar definiert, durchsetzbar und effektiv gegen jegliche Verletzungen sein. Der angebotene Plan wird als „Budapester Memorandum 2.0“ bezeichnet – also eine Garantie ohne Garantie. Deutschland fordert bindende, belastbare und sanktionsfähige Sicherheitsmechanismen. Europa darf nicht zulassen, dass militärische Aggression mit Landgewinnung belohnt wird. euch klar vor Augen führenEuropa muss klarstellen: ohne überprüfbare, durchsetzbare Sicherheitsmechanismen entsteht kein Frieden, sondern ein Vorbereitungs Stillstand für den nächsten Angriff.

Keinen Ultimatum für die Ukraine, sondern für russland: russland hat die Ukraine angegriffen und sollte Verantwortung dafür übernehmen, man kann nicht für nachhaltige und gerechte Frieden die Opfer dazu zwingen, es zu bezahlen. In der russischen Wunschliste geht es um die Beschränkung der ukrainischen Armee, aber nicht der russischen. Jede Begrenzung auf ukrainische Soldat*innen die Ukraine in die strukturelle Wehrlosigkeit zwingt. Europa muss die Fähigkeit der Ukraine zur Selbstverteidigung stärken – nicht künstlich schwächen.

Die Wunschliste der russen bereitet den nächsten Krieg vor: Mehrere Punkte widersprechen den grundlegenden Prinzipien europäischer Sicherheit und Prinzipien des Völkerrechts. Dazu zählen verfassungswidrige Einschränkungen der ukrainischen Souveränität wie ein NATO-Verbot, die faktische Abtretung ukrainischer Gebiete, die Begrenzung der Streitkräfte und die mögliche Rückkehr russlands in internationale Strukturen, bevor der Krieg tatsächlich beendet und Fragen der Reparation und Wiedergutmachung geklärt sind.

russische Gelder als Druckmittel statt als Verpflichtung des Aggressors behandelt: Klarer Einsatz für die Nutzung russischer Staatsvermögen zugunsten der Ukraine – nicht als geopolitisches Tauschmittel. Der Plan sieht eine Rekonstruktion gebundene Freigabe vor, die politisch an Zugeständnisse gekoppelt ist. Deutschland soll klarstellen: Rückgriff auf eingefrorene Vermögen ist die rechtliche Verantwortung russlands, nicht die Verhandlungsmasse. Der Plan sieht eine geopolitische Wiedereinbindung Moskaus vor, während die Ukraine Zugeständnisse machen soll.

Ukraine ist ein souveränes Land, das den Menschen gehört, und kein Spielball fremder Mächte: Die Ukraine muss selber entscheiden, in welche Koalitionen (wie EU oder NATO) sie gehören möchten. Europa muss klarstellen: Sicherheitspolitische Entscheidungen dürfen niemals unter russischem oder jeden anderen Zwang getroffen werden. Ein russisches Vetorecht über die ukrainische Zukunft darf Europa niemals akzeptieren.

 

Am Ende möchten wir betonen und euch klar vor Augen führen, wenn jeder Vorschlag, der implizit oder explizit zu „Schlussstrichen“ drängt, widerspricht es dem internationalen Recht. Es darf keinen Frieden geben, der Täter schützt und Opfer entrechtet. In dem Moment, in dem Täter nicht verfolgt werden, internationale Grenzen mit Gewalt verschoben werden und den Opfern das Recht auf Selbstbestimmung abgesprochen wird, entsteht eine Welt, in der niemand mehr an internationale Regeln glauben kann und sicher ist – so wie damals nach 1938.

Donnerstag, 27. November 202518:00–19:00 UhrVor dem Bundeskanzleramt, BerlinJeder Euro, der nach russland fließt, bedeutet mehr Raketen auf ukrainische Städte – und eine wachsende Bedrohung für Europa.

Unsere Forderungen:

  • Luftverteidigungssysteme für die Ukraine.russland bombardiert weiterhin Wohnhäuser, Kindergärten und Krankenhäuser. Ohne ausreichenden Schutz kostet jeder Tag Menschenleben.
  • Unterstützung für die ukrainische Energiesicherheit.russische Angriffe richten sich gezielt gegen das Energienetz. Millionen Menschen leben wieder im Dunkeln. Die Ukraine braucht jetzt Transformatoren, mobile Heizsysteme und Mittel für dringende Reparaturen.
  •  Keine Importe von russischem Öl, Gas und LNG.Deutsches und europäisches Geld finanziert weiterhin diesen Krieg. Energiepolitik ist Sicherheitspolitik – Schluss mit der Finanzierung des Aggressors.

Das betrifft nicht nur die Ukraine. Es geht um Europas Sicherheit, Demokratie und Frieden – einen Frieden, der auf Gerechtigkeit, nicht auf Abhängigkeit beruht.

Kommt dazu! Steht für die Ukraine. Steht für Europa.

Wir, die in Berlin ansässige NGO Vitsche e. V., deren Mission es ist, sicher Propaganda entgegenzuwirken und ukrainische Stimmen in Europa zu stärken, möchten unsere große Sorge über die Rückkehr der Aufführungen „Museum of Uncounted Voices“ von Marina Davydova am HAU Hebbel am Ufer äußern, die für den 2.–11. November 2025 angekündigt sind.

Als Organisation von ukrainischen Verbündeten, die in den kulturellen und politischen Sphären Berlins leben und arbeiten, bekennen wir uns zur Unterstützung der Kunstfreiheit und des offenen Diskurses. In diesem Zusammenhang schätzen wir das HAU als progressives Theater, das Künstler*innen, die ihre Projekte in ihren Herkunftsländern aufgrund politischer oder ökonomischer Repression nicht realisieren können, Räume eröffnet – und dies mit der nötigen Achtsamkeit, um sicherzustellen, dass niemand retraumatisiert oder entwertet wird. Ein solcher Ansatz ist entscheidend in einer Zeit, in der autoritäre Kräfte – auch im deutschen öffentlichen Raum – wieder an Sichtbarkeit und Einfluss gewinnen.

Gleichzeitig sind wir der Auffassung, dass kulturelle Institutionen eine ethische Verantwortung für die Narrative und die einzelnen Kunstwerke tragen, denen sie eine Bühne bieten – insbesondere in Zeiten gewaltsamer Konflikte wie des andauernden russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine.

Marina Davydova, seit Langem eine Figur des russischen Theater-Establishments, inszeniert sich als liberale Exilantin, reproduziert jedoch die Logik, die russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine erst ermöglicht. Solchen Narrativen – zumal solchen, die aus den kulturellen Eliten russlands stammen – eine Bühne zu geben, reproduziert imperiale Deutungsmuster und verwässert die Unterscheidung zwischen Aggressor und Opfer, Kolonisator und Kolonisierten. Darüber hinaus bestärkt es sogar die absurde Rechtfertigung der russischen Invasion in die Ukraine.

In diesem Sinne sind wir der Meinung, dass das Stück „Museum of Uncounted Voices“ kein Akt einer „raffinierten Reassertion“ eines russischen Exzeptionalismus ist, der sich als Ironie und Selbstviktimisierung tarnt. Ohne angemessene Kontextualisierung wird eine solche Rahmung gefährlich, irreführend und unsensibel gegenüber den Bevölkerungsgruppen, die heute unmittelbar von der russischen Aggression betroffen sind.

Komplexität nicht zu behandeln, verstärkt Propaganda

Davydova gestaltet ihre Bühne als Pseudo-Museum der „russischen Größe“. Die eröffnende Episode verknüpft imperiale Ekstase mit gängigen Propagandabehauptungen aus russland; unter zahlreichen falsifizierten „Fakten“ wird etwa die Annexion ukrainischer Gebiete wie Cherson und Krim als „freiwilliger Anschluss“ bezeichnet. Solche Aussagen im öffentlichen Raum ignorieren heute, dass sie traumatisierend und triggernd wirken, wenn sie nicht sauber kontextualisiert sind. Davydova selbst bemerkte, dass Teile des Publikums auf solche Aussagen alarmiert reagierten und sie nicht als Satire, sondern als Bestätigung russischer Territorialansprüche verstanden: „Wenn der Schauspieler sagt: ‚Cherson, Sewastopol, das schöne Odessa – das sind unsere Städte‘, stand eine Frau – ich nehme an, sie ist Ukrainerin – auf und schrie, das sei furchtbar, so etwas dürfe man nicht sagen, und nahm es wörtlich.“ (Interview mit Radio Swoboda, 31. Mai 2023). Anstatt die dramaturgische Verantwortung für solche Fehllektüren anzuerkennen, weist Davydova diese Reaktionen als Missverständnis des Publikums zurück – mit der Implikation, Kritiker*innen fehle lediglich die Raffinesse, die Ironie zu begreifen. Diese Herablassung gegenüber dem Publikum – insbesondere gegenüber Menschen, deren Länder und Leben direkt betroffen sind – offenbart eine Hierarchie, in der Davydovas „riskante künstlerische Provokation“ als per se legitim gilt, während die gelebten Erfahrungen der direkt Betroffenen als irrational oder übermäßig emotional abgetan werden.

Aneignung kolonialisierter Stimmen

In den folgenden Szenen maßt sich die Regisseurin an, im Namen von fünf Nationen zu sprechen, die historisch unter russischer und sowjetischer Herrschaft litten – Ukraine, Belarus, Georgien, Armenien und Aserbaidschan. Sie erfindet fiktive Dialoge zwischen diesen Nationen, in denen sie sich darüber streiten, „wer mehr gelitten habe“, als seien ihre Geschichten von Gewalt, Genozid und Kolonisierung austauschbar. Davydova unterstreicht dies mit einer „Kurzoper“, in der alle Figuren singen: „Wir sind die Opfer, wir sind die Hauptopfer“ – und reduziert damit die antikolonialen Kämpfe dieser Nationen zu einer Karikatur eines Wettbewerbs um Opferstatus.

Die Inszenierung zeigt keine Anzeichen ernsthafter Recherche, Konsultation oder Einbindung der Communities, deren Geschichte sie sich anmaßt zu erzählen. Es beunruhigt uns, dass in einer antikolonialen Institution ein derart koloniales Vorgehen eine Bühne findet. Stattdessen werden die Perspektiven dieser Communities ausschließlich durch Davydovas eigenen Interpretationsrahmen gebrochen – geprägt von einer russisch geprägten Weltsicht. In dieser Struktur werden Identitäten, die von imperialer Unterwerfung gezeichnet sind, zu Stereotypen eingeebnet; ihre Erfahrungen werden zum Material eines Theaterkonzepts, statt Gegenstand sinnvoller Repräsentation zu sein. Das Ergebnis ist die Reproduktion einer vertrauten Hierarchie: Eine russisch kodierte Perspektive bleibt zentral, während die Erfahrungen und Geschichten ehemals dominierter Nationen einer anderswo konstruierten Erzählung untergeordnet werden.

Im politischen und dokumentarischen Theater erfordern Repräsentationspraktiken Verantwortung: Marginalisierte Stimmen zu „zentrieren“, ohne Zusammenarbeit, ohne Einverständnis oder ohne kontextuelle Genauigkeit, ist keine Neutralität, sondern eine Fortsetzung genau jener verallgemeinernden und identitätsauslöschenden Strukturen, die das Kunstwerk zu hinterfragen behauptet – im Falle russlands nicht selten gefolgt von militärischer Gewalt.

Wir ersuchen das HAU Hebbel am Ufer, die Konsequenzen einer Aufführung ohne sorgfältige Kontextualisierung eingehend zu prüfen. Bitte verzichten Sie auf eine Präsentation in der aktuellen Form und entwickeln Sie stattdessen einen kuratorischen Rahmen, der imperiale Narrative klar benennt und nicht reproduziert, die Perspektiven der unmittelbar Betroffenen einbezieht und eine informierte, verantwortungsvolle Repräsentation gewährleistet.

Wir schreiben diesen Brief nicht, um zum Schweigen zu bringen, sondern um Verantwortung einzufordern – um daran zu erinnern, dass Neutralität in Zeiten wachsender autoritärer Bedrohungen und eines brutalen Krieges eine Form der Komplizenschaft ist. Wir stehen für einen künstlerischen Dialog, der ethisch fundiert und historisch bewusst ist – nicht für die Normalisierung imperialer Traumata-Narrative oder die Reproduktion schädlicher Machtstrukturen auf der Bühne.

Wir laden das HAU ein, in einen offenen Austausch mit Vertreter*innen der betroffenen Communities in Berlin zu treten, um sicherzustellen, dass die Bühne ein Ort der Gerechtigkeit bleibt – nicht der Verzerrung.

Open Letter to HAU from Vitsche e.V. Marina Davydova.docx

Mit schwerem Herzen geben wir den Tod von Dr. Richard Herzinger bekannt – einem brillanten Journalisten, scharfsinnigen politischen Essayisten und standhaften Freund der Ukraine.
Seine präzise, kompromisslose und furchtlose Stimme wird uns erhalten bleiben. Wir hoffen, dass seine Worte und Überzeugungen noch lange nachhallen werden.

Von seinen Frankfurter Wurzeln bis zu seiner Berliner Wirkungsstätte baute Richard sich einen Ruf auf – nicht nur als Kommentator, sondern als moralisches Gewissen der deutschen Gesellschaft.
Er stellte sich gegen den Zeitgeist, prangerte die Selbstzufriedenheit mancher Teile der Linken an, die „das russische Narrativ“ übernahmen, und beharrte darauf, dass „Europas Schicksal mit der Souveränität der Ukraine steht und fällt“.
Er war ein scharfer Kritiker rechter wie linker Populisten; er entlarvte oberflächliche Friedensillusionen, verurteilte Verrat, der sich als Diplomatie tarnt, und erinnerte uns daran, dass Freiheit und Wahrheit Mut erfordern.

Er schrieb unter anderem für Die Zeit, Die Welt, Tagesspiegel, NZZ, Zeitschrift Internationale Politik, Perlentaucher Kulturmagazin, das ukrainische Magazin Tyzhden und viele weitere Publikationen.

Richard suchte keine Popularität durch beschwichtigende Worte. Er suchte den Konflikt, die intellektuelle Schärfe und die moralische Klarheit.
Seine Essays konfrontierten die deutschen und europäischen politischen Kreise mit Wahrheiten, die viele lieber nicht hören wollten – und als der modische Konsens in Deutschland gegenüber der Ukraine abkühlte oder gleichgültig wurde, blieb er standhaft.
Er verstand immer, was Russland ist – 2008, 2014 – immer dieselbe Realität, auch wenn er in Deutschland oft allein damit stand.
Er warnte vor dem Projekt Nord Stream 2, als es noch als selbstverständlicher Fortschritt gefeiert wurde. Für diesen Mut wurde er häufig aus dem Mainstream ausgeschlossen und in einer Kultur marginalisiert, die an Einigkeit mangelte.

Er stand für die Ukraine, für eine starke osteuropäische Region – als wesentlichen Teil eines starken europäischen Erbes.

Für uns bei Vitsche war es eine große Ehre, mit Richard zusammenzuarbeiten und Ideen sowie Projekte mit ihm zu teilen.
Mit einem so scharfsinnigen Geist und großzügigen Menschen Seite an Seite zu arbeiten, war ein Privileg sondergleichen.
Wir sind zutiefst dankbar für die Möglichkeit, mit Dr. Herzinger zusammengewirkt zu haben, um Wahrheit zu verstärken und neue Zuhörerschaften zu erreichen.
Es war uns eine Ehre, dass Richard seit Beginn von Russlands großangelegter Invasion in der Ukraine an all unseren Demonstrationen teilnahm.
Er war ein engagierter Teilnehmer und Mitgestalter fast all unserer öffentlichen Veranstaltungen und zeigte so seine feste Verbundenheit mit der Ukraine.

Wir laden alle ein, die freies Denken schätzen, die die Ukraine lieben und denen ein starkes und gerechtes Europa am Herzen liegt – lest seine Texte, setzt euch mit seinen Argumenten auseinander, diskutiert und führt sein Werk fort.
Das Archiv, das diese Wahrheiten bewahrt, ist mehr als ein Denkmal – es ist ein Feuer, das weiter brennen soll.
Wir sind überzeugt, dass Dr. Herzingers Analysen und Warnungen noch viele Jahre relevant bleiben werden.

In jedem seiner Essays, Artikel, Anklagen und Bekenntnisse lebt Richard Herzingers Stimme weiter – sie ruft uns zu größerer Treue gegenüber der Wahrheit, zu Mut in der Politik und zu Solidarität mit jenen, die für die Freiheit kämpfen.

„Flucht“ ist eine Ausstellung im Museum Europäischer Kulturen in Berlin. Sie zeigt Geflüchtete, die nach russlands Angriff auf die Ukraine ihre Heimat verlassen mussten. Es werden Ukrainer*innen und Russ*innen gezeigt. Das klingt zunächst empathisch –  ist aber nicht wertneutral.

 

„Es geht um ukrainische Kriegsflüchtlinge und russische Emigrant*innen.
Beide konnten nicht mehr in ihrer Heimat bleiben.“ „Wir wollten ihr Trauma mit Empathie zeigen und ihre Würde bewahren.“

 

Warum ist dieses Framing problematisch?
Ukrainer*innen und russ*innen als gleichermaßen Vertriebene darzustellen,
schafft eine falsche moralische Gleichsetzung zwischen realen Kriegsopfer und Menschen, die aus dem Land stammen, welches den Angriff gestartet hat. Es ersetzt Wahrheit durch Bequemlichkeit – und Gerechtigkeit durch Ästhetik.

 

Wovor Ukrainer*innen fliehen – und wovor russ*innen fliehen
Ein solches Framing verzerrt die Machtverhältnisse dieses Krieges.
Es suggeriert, all diese Menschen seien vor vergleichbaren Gefahren geflohen – doch das stimmt nicht.

Ukrainer*innen fliehen vor Invasion, Besatzung, Massenmorden und der Zerstörung des zivilen Lebens. russ*innen fliehen vor Einberufung, Sanktionen oder dem Unbehagen mit ihrem eigenen Regime.

 

„Empathie“ ohne Verantwortung ist Vermeidung
Wie eine Kuratorin sagte: „Es geht darum, das Trauma mit Empathie zu zeigen.“
Doch Empathie, die Verantwortung ausblendet, ist keine Empathie – sie ist Verdrängung.

Wenn Kunst Opfer und Bürger*innen des Aggressorstaat gleich behandelt, 
entpolitisiert sie Gewalt und fördert die Ästhetik des Unrechts.

 

„Russlands Opferdiskurs ist Teil des Verbrechens.“— Timothy Snyder
Viele russische „Geflüchtete“ haben den Krieg nie öffentlich verurteilt, um sich stets eine Rückkehr, auch in das Regime, offenzuhalten. Manche wiederholen außerdem weiter imperiale Narrative über die Nachbarstaaten. Sie als unschuldige Opfer darzustellen, verschleiert Mitverantwortung, nicht Widerstand. So wird russlands Rolle als Aggressor abgeschwächt – und ukrainische Forderungen nach Aufklärung und Gerechtigkeit untergraben.

 

Wenn „gemeinsames Leid“ Gerechtigkeit zum Schweigen bringt
Solche Projekte verwischen das ukrainische Leid.
Sie verwandeln eine brutale Invasion in eine vermeintlich gemeinsame humanitäre Tragödie.

„Alle Geflüchteten leiden“ klingt mitfühlend – doch in diesem Krieg ist es eine Form moralischer Blindheit. Es verwischt Verantwortung, setzt Schuld gleich und lässt die Grenze zwischen Täter und Opfer verschwimmen.

 

Wessen Geschichten stehen im Mittelpunkt?
russische Stimmen bleiben im Zentrum, ukrainische am Rand. Die alten Hierarchien bestehen fort – das ist keine Dekolonisierung.

 

Kunst ist niemals neutral
Schon gar nicht im Krieg. Die Entscheidung, Opfer und Täter zusammen darzustellen, ist kein Zeichen des Friedens – sondern ein Akt der Entpolitisierung. Sie stellt Bequemlichkeit über Gerechtigkeit, Versöhnung über Widerstand, und Schweigen über Wahrheit.

 

Echte Empathie beginnt mit Wahrheit

Wir rufen kulturelle Institutionen und Kurator*innen dazu auf:

— Ukrainische Stimmen und Handlungsmacht zu priorisieren

— russische Verantwortung zu benennen

— Das Framing einer „geteilten Tragödie“ zu vermeiden

— Die Asymmetrie – militärisch, politisch und moralisch – sichtbar zu machen

Denn Kunst hat Macht.
Und Macht bedeutet Verantwortung.

📅 24.08.2025

🕓 16:00–18:00 Uhr

📍 Blaue Kirche (Breitscheidplatz) → Brandenburger Tor

 

Auch in diesem Jahr gehen wir wieder auf die Straßen Berlins – nicht nur, um zu feiern, sondern auch, um uns zu erinnern.

 

Um uns daran zu erinnern, dass die Unabhängigkeit kein Geschenk war – wir haben sie wiederhergestellt. Und seit 1991 mussten wir sie immer wieder verteidigen – durch Revolutionen, Widerstand und Krieg.

Die diesjährige Demonstration steht unter dem Motto „Die Zukunft braucht Erinnerung“ – denn wir wissen:

❗️ Erinnerung hilft, die Wiederholung vergangener Fehler zu verhindern.

❗️ Erinnerung widersteht kolonialer Auslöschung und Propaganda.

❗️ Erinnerung ist Teil unserer nationalen Identität

❗️ Ohne Erinnerung an den Weg, den wir gegangen sind, kann es keine freie Zukunft geben

 

Unser Marsch wird dringende Forderungen stellen:

Die Rückkehr von über 200.000 ukrainischen Zivilisten – darunter Tausende von Kindern –, die illegal nach Russland deportiert wurden.

Die Freilassung der ukrainischen Kriegsgefangenen, die noch immer in russischer Gefangenschaft sind.

Die Fortsetzung der internationalen Partner- und Verteidigungsunterstützung zur Wahrung der Souveränität der Ukraine

Die Anerkennung, dass der Kampf der Ukraine ein europäischer Kampf ist – für Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden.

Die Ehrung derer, die ihr Leben geopfert haben, Angehörige verloren haben und unter dem russischen Angriffskrieg gelitten haben.

Ihre Anwesenheit wird zeigen, dass die Verteidiger der Demokratie weltweit vereint sind, um die Souveränität der Ukraine und das Recht ihres Volkes auf ein Leben in Frieden zu unterstützen.

📌 Wenn Sie eine Organisation vertreten und mit einer eigenen Kolonne an der Demonstration teilnehmen möchten, füllen Sie bitte das Formular aus: https://forms.gle/UB3fXEHhp1xb5upN8

Am 22. Juli 2025 hat das ukrainische Parlament das Gesetz Nr. 12414 verabschiedet, das die wichtigsten Antikorruptionsbehörden der Kontrolle des Generalstaatsanwaltes unterstellt.

Einfach erklärt:
Das NABU (Nationales Antikorruptionsbüro der Ukraine) und die SAPO (Spezialisierte Antikorruptionsstaatsanwaltschaft) waren bisher unabhängig — sie untersuchten Korruption in der Regierung, auch im Umfeld des Präsidenten.

Künftig wird ihre Arbeit von einer Struktur kontrolliert, die dem Generalstaatsanwalt unterstellt ist — und dieser wird vom Präsidenten ernannt. Das heißt: Die Ermittler müssen jetzt jenen Rechenschaft ablegen, die sie eigentlich untersuchen sollen.

Das untergräbt die unabhängige Aufsicht, die seit der Revolution der Würde 2014 aufgebaut wurde, und verstößt gegen die EU-Beitrittskriterien.

Wie reagieren die Ukrainer:innen?

Diese Entscheidung hat die größten Proteste seit Beginn der russischen Vollinvasion 2022 ausgelöst. Bürger:innen, Veteranengruppen, Aktivist:innen, Journalist:innen und Jurist:innen gingen in Kyjiw, Lwiw, Dnipro und Odesa auf die Straße.

Die Menschen forderten den Präsidenten auf, das Gesetz nicht zu unterzeichnen, um die Unabhängigkeit der Antikorruptionskontrolle zu bewahren. Sie demonstrieren für ihr Land – um den demokratischen Weg und das internationale Vertrauen zu schützen.

Am Abend des 22. Juli unterzeichnete Präsident Selenskyj dennoch das Gesetz Nr. 12414 – trotz des öffentlichen Drucks durch die Proteste.

Wie könnte russland das ausnutzen?

Innere politische Krisen sind idealer Treibstoff für russische Propaganda.

Durch Desinformation, Fake-Narrative und gezielte Manipulation versucht der Kreml, die westliche Unterstützung für die Ukraine zu schwächen.

Doch das trifft nicht die Regierung, sondern die Fähigkeit der Ukraine, sich gegen den russischen Angriff zu verteidigen.

Was können wir tun?

    1. Bleibt wachsam gegenüber russischer Desinformation – sie werden versuchen, solche Situationen für ihre eigenen Interessen auszunutzen. Vertraut deshalb unabhängigen ukrainischen Medien.
  • Erinnert Politiker:innen und Gesellschaften in der EU daran:

Ukrainer:innen sind enttäuscht von diesem Gesetz, gehen auf die Straße und leisten Widerstand. Gerade jetzt geht es darum, die Ukraine zu unterstützen. Denn weniger  Unterstützung trifft nicht “die da oben”, sondern die Menschen, die jeden Tag kämpfen — an der Front, in Kliniken, in zerstörten Städten. Stellt euch  an die Seite der Ukraine — aus Loyalität gegenüber denen, die mutig für Demokratie und Freiheit einstehen.

  • Unterstützt die ukrainischen Verteidigungskräfte

Die Ukraine braucht uns – und sie braucht uns jetzt. Vor allem die Verteidigungskräfte stehen vor enormen Herausforderungen, um das Land und seine Menschen zu schützen.

Unterstützt verlässliche Hilfsfonds oder Einheiten direkt – damit lebenswichtige Ausrüstung ankommt, wo sie gebraucht wird.

Was jetzt notwendig ist:

  • Druck der Institutionen wie des IWF und der EU auf die Machtstrukturen der Ukraine.
  • Aufhebung der Visafreiheit für diejenigen, die für das Gesetz Nr. 12414 gestimmt haben.
  • Sanktionen gegen Amtsträger:innen, die für dieses Gesetz gestimmt oder es vorangetrieben haben