Würdigung der ukrainischen Opfer des Zweiten Weltkriegs in Deutschland

Das Fehlen von Gedenkstätten in Deutschland für die über 10 Millionen ukrainischen Opfer des Zweiten Weltkriegs ist seit der groß-angelegten Invasion russlands in die Ukraine schmerzlich deutlich geworden. Die bestehenden Gedenkstätten sind ausschließlich der Sowjetunion gewidmet und vernachlässigen Länder wie die Ukraine und andere, die sowohl unter dem Sowjet- als auch dem Nazi regime gelitten haben. 

Trotz des von russland verursachten brutalen Krieges in ihrer Heimat ist die ukrainische Gemeinde in Deutschland gezwungen, ihren Mitbürgern und Vorfahren an einem Ort zu gedenken, der in direkter Verbindung mit Unterdrückung, Diktatur und Schmerz steht. Die sowjetischen Denkmäler in Berlin sind oft eindringliche Mahnmale, die sogar Zitate von Stalin zeigen – einem rücksichtslosen Diktator, der für Massenmord, Deportationen und Arbeitslager verantwortlich war.

Die Gräueltaten der stalinistischen Säuberungen und der Anfangsphase der deutschen Besatzung der Ukraine werden im historischen Narrativ oft übersehen. Nach dem Überfall der Nazis auf die Sowjetunion im Jahr 1941 setzte das Dritte Reich Einsatzgruppen ein, um Massenerschießungen durchzuführen, denen über zwei Millionen Juden zum Opfer fielen. Die Ukraine war eines der Länder, die am meisten von dem sogenannten „Holocaust durch Kugeln“ betroffen waren. 

Im September 1941, zum ersten Mal in der Geschichte wurde eine europäische Großstadt Zeuge der vorsätzlichen Ermordung ihrer jüdischen Bevölkerung in der Schlucht von Babyn Yar am Stadtrand von Kyiw. In nur zwei Tagen wurden 33.771 jüdische Einwohner*innen brutal hingerichtet und ihre Leichen in ein Massengrab geworfen.

Während der Besetzung Kyiws von 1941 bis 1943 nutzten die Nazis den Standort Babyn Yar weiterhin für Massenmorde. Von den schätzungsweise 100.000 Opfern waren etwa zwei Drittel Juden, der Rest bestand aus Roma, sowjetischen Kriegsgefangenen, Aktivisten, Nationalisten, Psychiatriepatienten und religiösen Persönlichkeiten. Das Massaker von Babyn Yar, der größte Massenmord des Zweiten Weltkriegs, wurde in der historischen Erinnerung konsequent verdrängt. 

Die Erinnerungskultur der Sowjetunion an den Holocaust beinhaltete Zensur, das Verschweigen von Aufzeichnungen, die Verzerrung von Fakten und die Verdrängung der Ereignisse. Dies machte es unmöglich, Babyn Yar nach dem Krieg zu gedenken. Das erste Denkmal in Babyn Yar wurde erst 1976 errichtet und ehrte „sowjetische Bürger“, was der sowjetischen Praxis entsprach, alle Opfer unter dem Dach der sowjetischen Zivilisten zusammenzufassen. Die historische Erinnerungslandschaft Deutschlands spiegelt diese Haltung noch immer wider, da sowjetische Gedenkstätten ausschließlich mit Russland verbunden sind und im Rahmen eines Abkommens zwischen Deutschland und Russland rechtlich betreut werden.

Die Auswirkungen der deutschen Besetzung der Ukraine waren verheerend: niedergebrannte Dörfer, Deportationen, Zwangsarbeitslager und Massenhinrichtungen. Das ukrainische Territorium wurde weitgehend zerstört, während etwa 3% des heutigen russischen Territoriums betroffen waren. Trotz der Opfer und des Beitrags der Ukraine zum globalen Sieg über die Nazis behauptet russland diesen Triumph und leugnet gleichzeitig die entscheidende Rolle der Ukraine und anderen Alliierten. Denkmäler, die die ukrainischen Opfer ignorieren, oder das völlige Fehlen von Denkmälern, halten ein kulturelles Gedächtnis der Verleugnung und Verzerrung aufrecht.

Als Teil der ukrainischen Gemeinde in Deutschland fordern wir  nachdrücklich auf, sich umgehend mit seiner historischen Haltung zum Zweiten Weltkrieg und zur Sowjetunion auseinanderzusetzen. Wir fordern die deutsche Regierung auf, die Ukraine als direktes Opfer der Schrecken des Nationalsozialismus anzuerkennen und in Berlin eine Gedenkstätte zu errichten, um die von der Ukraine während des Zweiten Weltkriegs erbrachten Opfer zu ehren.