Warum fehlt die Ukraine noch immer in der deutschen Erinnerungskultur?

Unser Statement zur Notwendigkeit eines ukrainischen Erinnerungsortes — und zur Bedeutung historischer Wahrheit.
Im Zweiten Weltkrieg starben über 10 Millionen Menschen aus der Ukraine — als Zivilistinnen unter dem Terror der Nazis, als Opfer kommunistischer Repressionen, als Soldatinnen der Roten Armee, als Zwangsarbeiterinnen im nationalsozialistischen Deutschland oder als Angehörige jüdischer oder Roma-Gemeinschaften. Die Ukraine war einer der Orte mit den schwersten menschlichen Verlusten in Europa — und doch bleiben ihr Ausmaß und ihre Geschichten in der deutschen Erinnerungskultur unsichtbar.
Die Sowjet-Erzählung löschte die Ukraine aus
Die sowjetische Erinnerung an den „Sieg“ erkannte das besondere Leid der Ukraine nie an. Alle Opfer wurden als sowjetische Bürger*innen gezählt, nationale Identitäten wurden ausgelöscht. Individuelle Schicksale und Erinnerungen verschwanden — der sowjetische Staat feierte Heldentum, aber das Leiden von Millionen blieb unbeachtet.
Deutschland übernimmt eine russisch-zentrierte Sicht
In der Nachkriegszeit errichteten die kommunistischen Machthaber in der sowjetischen Besatzungszone große Denkmäler zum Triumph der Roten Armee. Diese Denkmäler stellen die Sowjetunion als ein einziges Volk dar — viele Deutsche nahmen (und nehmen) sie vor allem als russisch wahr.
Bis heute gibt es kein Denkmal oder sichtbares Zeichen für die Ukrainer*innen. Keine Erwähnung der ukrainischen oder anderer Verluste innerhalb der Sowjetunion.
Das Schweigen im Westen
In Westdeutschland konzentrierte sich die Erinnerung auf die deutsche Besatzung Westeuropas und die Verbrechen der Shoah — während die Erfahrungen des Vernichtungskrieges in Osteuropa, einschließlich der Ukraine, weitgehend hinter dem Eisernen Vorhang unsichtbar und unbeachtet blieben.
Warum das heute wichtig ist
Mythen aus dem Zweiten Weltkrieg leben bis heute weiter. Russland nutzt sie, um neue Kriege zu rechtfertigen — auch den Angriffskrieg gegen die Ukraine. Solange die Erfahrungen und das Leid der Ukraine und vieler anderer Nationen im Zweiten Weltkrieg nicht anerkannt werden, wirken sowjetisch-imperiale Narrative weiter in die Gegenwart hinein.
Große Teile der kulturellen, wirtschaftlichen und demografischen Grundlagen der Ukraine wurden zerstört. Diese Folgen — und die darauffolgende sowjetische Politik der Russifizierung — sind bis heute spürbar.
Geschichte wird als Waffe eingesetzt.
Durch das Leugnen des ukrainischen Leidens im Zweiten Weltkrieg versucht der heutige Aggressor, der Ukraine ihr Existenzrecht abzusprechen. Eine moderne Erinnerungskultur muss dem entgegentreten — und darf alte Lücken nicht wiederholen.
Deshalb starten wir die Kampagne: „Ukraine im Gedächtnis.“
In den kommenden Wochen werden wir vergessene Geschichten teilen, öffentliche Vorträge organisieren und einen Gedenkmarsch in Berlin veranstalten.
Unser Ziel: die Kriegserfahrungen der Ukraine sichtbar zu machen.
Wir fordern einen ukrainischen Erinnerungsort in Berlin: um der Toten zu gedenken, Geschichten zu erzählen, ein vollständigeres Bild zu zeigen — und um die Instrumentalisierung von Erinnerung zu verhindern.