Zum Fall Meduza und der Werbekampagne von Lure

Im Januar startete Meduza eine groß angelegte Werbekampagne in europäischen Hauptstädten, darunter Berlin. Die Kampagne zeigte plakative Bilder russischer Angriffe auf die Ukraine – Szenen von Bombardierungen, Beerdigungen und trauernden Familien – kombiniert mit Slogans, die Meduza als „vertrauenswürdige“ Quelle für Informationen darstellten.

Ein besonders schockierendes und empörendes Beispiel: Ein weit verbreitetes Bild zeigt Jaroslaw Bazylewytsch bei der Beerdigung seiner Frau und drei Kinder, die bei einem russischen Raketenangriff auf Lwiw getötet wurden. Weder er noch seine Familie haben jemals zugestimmt, dass ihr Leid für Meduzas Selbstvermarktung genutzt wird.

Nach massiven Protesten von Ukrainer*innen und Verbündeten – einschließlich vieler von euch – wird diese Kampagne nun aus Kinos und öffentlichen Räumen in ganz Europa entfernt.

Ein großes Dankeschön an alle, die geholfen haben, diesen Fall aufzudecken, Kritik zu äußern und Druck auf Meduza sowie die deutsche Kreativagentur Lure hinter der Kampagne auszuüben. Ein besonderer Dank geht an unsere Kollegin Viktoriya, die diese Welle des Widerstands ins Rollen brachte!

Aber das Problem ist damit nicht gelöst.

Anstatt Verantwortung zu übernehmen, erklärte Meduza lediglich, sie seien „traurig“, falls sich jemand verletzt fühle, hätten aber das rechtliche Recht, diese Materialien zu nutzen. Dies bestätigt erneut, was seit langem klar ist: Meduza und viele andere russische Medien stellen sich selbst in den Mittelpunkt, instrumentalisieren das Leid der Ukrainer*innen und hinterfragen russischen Imperialismus nicht grundlegend.

❗️ Dieses Problem geht über eine einzelne Werbekampagne hinaus.

Meduzas Berichterstattung verzerrt konsequent die Realität, indem sie die Grenzen zwischen Täter und Opfer verwischt. Sie stellt russische Kriegsverbrecher auf eine Stufe mit ukrainischen Regierungsvertreter*innen, verbreitet Kreml-Narrative und schafft Raum für Desinformation.

🔎 Zentrale Erkenntnisse aus der Studie „Deconstructors of Truth: How the Russian Opposition Media Covers Russia’s Full-Scale Invasion of Ukraine“ von Nataliia Steblyna & Iryna Avramenko:

Falsche Gleichsetzungen:

  • „Hat Russland den Kachowka-Damm gesprengt? Oder die Ukraine? Oder ist der Damm von selbst eingestürzt?“ – Diese Formulierung bedient Kreml-Narrative, die russlands Verantwortung für diesen Kriegsakt infrage stellen. Indem Meduza russische Lügen neben überprüfte Fakten stellt, verwischt sie die Realität und erzeugt ein Bild, in dem beide Seiten gleichermaßen verantwortlich erscheinen.
  • „Russische Truppen beschossen Lwiw, ukrainische Truppen beschossen Jasynuwata in der sogenannten „DNR“.“ – Diese Darstellung suggeriert, dass beide Seiten gleichermaßen schuld seien, während in Wirklichkeit russland Kriegsverbrechen begeht.
    (Jasynuwata ist eine von russland besetzte Stadt in der Region Donezk, in der die Ukraine russische Munitionslager zerstörte. Die sogenannte „DNR“ ist eine von russland erfundene Bezeichnung für besetztes ukrainisches Gebiet in der Region Donezk.)

Schwache journalistische Standards:

Meduza stellt Aussagen russischer Kriegsverbrecher auf die gleiche Stufe wie die von westlichen und ukrainischen Regierungsvertreter:innen, ohne sie richtig einzuordnen. Anstatt die Lügen russischer Offizieller zu entlarven, werden sie als legitime Perspektiven dargestellt – und damit werden Kriegsverbrechen relativiert.

Wiederholung von Kreml-Narrativen:

  • Meduzas Berichterstattung enthielt Behauptungen wie „Die Ukraine hat den Donbas verraten“ und „Butscha war eine Provokation.“
    Artikel wie „Von Bandera bis Asow“ präsentieren den ukrainischen Nationalismus als Problem, anstatt die russische Propaganda zu entlarven.
  • Wir empfehlen dringend, den vollständigen Bericht zu lesen über die Rolle sogenannter „unabhängiger“ russischer Medien und ihre Nähe zur russischen Desinformation. Hier lesen.

📢 russische Medien – egal wie „liberal“ – können nicht als verlässliche Quelle für die Wahrheit über die Ukraine gelten. Sie bleiben Teil des Imperiums, stellen sich selbst in den Mittelpunkt und manipulieren die Realität zu ihren eigenen Gunsten.

Wenn Lure wirklich unabhängigen Journalismus unterstützen wollte, der russische Propaganda aufdeckt, und wirklich hinter der Ukraine stehen wollte – warum haben sie dann nicht ukrainische unabhängige Medien gestärkt?
Medien wie Kyiv Independent, Svidomi und Detector Media hätten diese Sichtbarkeit gebrauchen können – warum also wurde stattdessen Meduza, ein russisches Medium, bevorzugt?

Wir hoffen, dass unsere deutschen Partner*innen und Kolleg*innen in Zukunft informierter und bewusster handeln. Wenn ihr Kontext oder zuverlässige Quellen benötigt – wir sind da, um unser Wissen zu teilen.